Ein paar Gedanken zum Singen und zum Leben.
Das ist doch so der klassische Start bei einer Chorprobe, oder? Man kommt in den Probenraum rein - oft knapp, weil die Bahn mal wieder verspätet war, man nicht direkt einen Parkplatz gefunden hat oder man einfach zu spät losgegangen ist (und ja: Ich kenne das alles selbst :-). Dann legt man schnell seine Sachen auf den Stuhl, ruft sich einen kurzen Gruß zu und schon geht's los mit dem Einsingen: Tonleiter rauf und runter, verschiedene Vokale singen, auf "FFFFF" die Luft abgeben oder ähnliches.
Mir ist das oft zu wenig! Warum? Weil ich dann noch zu viel Anspannung im Körper und auch im Kopf habe. Weil ich noch nicht ganz angekommen bin: im Raum, bei mir und bei den anderen. Weil mir die Zeit fehlt, in eine für mich angemessene Ruhe zu kommen, um zu singen. Nun könnte jemand sagen: "Bist ja selbst schuld, musst du halt früher losgehen!" Ja, das ist richtig. Trotzdem trifft das für mich nicht ganz den Kern. Es wäre natürlich der Idealfall: dass alle spätestens 10 Minuten vor Probenbeginn da sind, sich begrüßt haben, ihre Noten parat haben etc. Aber wenn etwas ein Idealfall ist, heißt das auch, dass es in 95% der Fälle eben nicht so geschieht. Es wird immer Leute geben, die auf den letzten Drücker oder auch zu spät kommen. Und weil das so ist, wie es ist: Warum dann nicht die Probenarbeit mit Körperübungen beginnen? Um sich bewusst zu machen: mein Körper ist mein Instrument. Nur mit seiner Hilfe und Unterstützung werde ich gleich singen können. Was bedeutet das? Dass ich nicht nur mit dem "oberen Bereich", also den Stimmbändern singe. Sondern, dass der Ton auch von viel weiter unten kommen kann. Dadurch wird er stabiler, sicherer und entlastender. Wie kann ich das erzielen? Zum Beispiel könnte man die Chorprobe damit beginnen, verschiedene Zonen des Körpers bewusst zu bewegen. Wie fühlt sich das an, wenn ich mein Becken bewege? Und: wie fühlt ich das an, wenn ich meinen Brustkorb bewege? Und dann docken wir die Stimme daran an. Keine Tonleitern oder Intervalle, sondern einfach Töne produzieren. Wie geht es mir, wenn ich mein Becken bewege und dabei einfach töne? Oder meine Füße oder Beine? Oder man startet ganz sanft und ertastet seinen Körper, wenn man summt: Wo spüre ich überall die Vibration? Was ändert sich, wenn ich vom Summen zu einem Vokal übergehe? Nehme ich dann andere Zonen wahr? Es geht darum, erst einmal absichtslos meine Stimme und meinen Körper über das Töne und Bewegen wahrzunehmen. Darüber geschieht Verbindung:
Das nenne ich Ankommen.
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"Die Stimme ist mein Herzensprojekt" - so hat Leni Bohrmann die Folge genannt, in der sie mich interviewt hat. Wir sprechen über natural voice, Einatmer, Ausatmer, wie ich unterrichte, über Singen im Chor, ob das ehrenamtliche Singen genug gewürdigt wird und über meine anderen Tätigkeiten als Werbetexterin und Bürokraft in einer Arztpraxis. Wir haben viele Themen gestreift und vielleicht habt ihr Lust, da mal reinzuhören: Wie ist es eigentlich, in einem reinen Frauenchor zu singen? Das habe ich mich gefragt, als ich Ende letztes Jahr von Anni Gymsa per Instagram angeschrieben wurde. Anni ist die Begründerin von "unmuted". Einem Chor, in dem ausschließlich Frauen singen. Auf einmal stand die Möglichkeit im Raum, dass ich dort mitsingen darf. Und da ploppte diese Frage auf: Singen "nur" mit Frauen? Ist das nicht langweilig? Ich habe immer nur in gemischten Chören, also klassische SATB-Aufteilung, gesungen. Und ich fand das immer gut so. Ein Frauenchor kam in meinem Singeuniversum bisher gar nicht vor. Doch jetzt hatte ich die Chance, anderes Terrain zu betreten und ich sagte mir: Give it a try! und fuhr im Januar 2024 zum Probenwochenende. Danach war klar: Frauenchor? It feels like home! Und zwar vom ersten Moment an. Warum empfinde ich das so? Weil ich noch nie in einem Chor gesungen habe, in dem soviel Wertschätzung füreinander vorhanden ist. Wir mögen uns, wir verstehen uns und wir schätzen uns. Ganz gleich, welche Stimme diejenige singt, wie alt oder jung sie ist, in welcher Lebenssituation sie sich gerade befindet oder, was sie trägt. Moment mal! Was hat denn das Thema "Alter" oder "Klamotten" mit Singen zu tun?
Ich versuche die Punkte mal aufzudröseln, denn sie haben - meiner Meinung nach - mit der Dynamik in Chören zu tun und wie man sich in einer Gruppe fühlt. 1. "Ganz gleich, welche Stimme diejenige singt": In gemischten Chören gibt es in der Regel zwei Stars: den Sopran und den Tenor. Bass und Alt werden eher als "unter ferner liefen" wahrgenommen und oft auch so in der Probe abgehandelt. Im Frauenchor aber strahlt nicht nur die oberste Stimme. Dadurch, dass wir nicht so starke Unterschiede im Timbre oder der Frequenz haben, müssen alle Stimmen fein herausgearbeitet werden. Und dadurch strahlen auch die Mittelstimmen oder die ganz tiefen Stimmen und werden zum Star. 2. "wie alt oder jung sie ist": In diesem Chor haben wir eine große Range, was das Alter angeht. Von Anfang 20 bis Mitte 50 ist alles dabei. Da könnte man meinen, dass man nicht viel miteinander zu tun hat, weil man in verschiedenen Lebensabschnitten ist. Das Gegenteil ist der Fall. Die Jungen profitieren von den Alten und umgekehrt genauso - sowohl stimmlich, als auch menschlich. 3. "in welcher Lebenssituation sie sich gerade befindet": Wir interessieren uns füreinander und wir schauen aufeinander - aber ohne, dass es "gefühlig" wird. Wir sind ein Chor und kein "Eso-Verein" (was ja sicher eines der Klischees ist). Aber gerade dieses "aufeinander schauen" macht diese Gruppe so wohltuend. 4. "was sie trägt": Dies ist ein Punkt, der mir ganz aktuell am letzten Probenwochenende aufgefallen ist: Die Klamotten-Bandbreite reichte von lässig bis schick. Und das war völlig selbstverständlich. Niemand hat das bewertet oder kritisch beäugt. Ich fand das bemerkenswert, da ja oft darüber philosophiert wird, dass Frauen untereinander so kritisch sind. (Ich glaube aber, dass dieses Phänomen eher in gemischten Chöre auftritt.) Um es ganz klar festzustellen: Das ist kein Männer-Bashing. Ich singe nach wie vor in gemischten Chören und sogar sehr gerne! Aber dieser Frauenchor ist einfach etwas besonderes. Und das wollte ich gerne zum Ausdruck bringen. So bunt das Leben ist, so vielfältig sind wir Menschen: In unseren seelischen und körperlichen Konstitutionen, unseren Werdegängen, in unserem Umgang mit unserer Stimme und unserem Atem. Dieses Bunte ist, was unsere Welt so spannend macht, das Zusammensein von uns Menschen. Und genau diese bunte Vielfalt darf auch beim Singen zu Tage kommen. Jeder singt anders, jeder klingt anders (mal abgesehen davon, dass man im Chor schon die richtigen Töne singen sollte...). Und auch natural voice befördert dieses Bunte: Es holt uns da ab, wo wir stehen und bringt uns dorthin, wo unser Potenzial ist. Ganz individuell. "Richtig" oder "falsch" spielt hier keine Rolle. Die Atemarbeit nach natural voice gibt uns einen Leitfaden an die Hand, an dem wir aber nicht festhängen. Ganz im Gegenteil: Wir dürfen mit ihm spielen. Wir können ihn nach rechts oder links ziehen, ihn zwirbeln oder eine Schlaufe reinmachen. Ja, wir dürfen sogar einen Knoten produzieren, denn: Wer behauptet schon, dass alles und jedes beim ersten Mal reibungslos funktionieren muss? Hauptsache, wir verlieren nicht die Motivation, Neues auszuprobieren, sich auf uns selbst einzulassen und uns zu vertrauen. Das macht die Atemarbeit so bunt und vielfältig: Dass es ums Erleben geht. Viel Spaß bei diesem Abenteuer! Weil mir mein Leben immer neue Wendungen und Ideen gebracht hat, habe ich schon einige Dinge gemacht und verschiedene berufliche Stationen erreicht. Eine Sache zieht sich allerdings konsequent von klein auf durch mein Leben: Die Liebe zur Musik.
Angefangen habe ich ganz klassisch mit Blockflöte und Klavier. Dann kam für 2 Jahre das Saxophon und schließlich und endlich die Konzentration auf mein Herzensinstrument: Die Stimme. Seit ich 12 Jahre alt bin singe ich im Chor. Erst im Kinderchor, dann hatte ich mit 14 Jahren meine ersten Einsätze zur Verstärkung des Gemeindechors. Dort bin ich auch einige Jahre geblieben. Hinzu kamen die ersten kleine Solo-Auftritte im Gottesdienst. Ab 16 Jahren habe ich Gesangsunterricht bekommen. Und ab meinen 20ern habe ich dann in verschiedenen Chören gesungen, unter anderem in der Capella Piccola bei Thomas Reuber und bei CONSTANT noch unter der Leitung von Harald Jers. Mit der Zeit habe ich entdeckt, dass ich eher für kleinere Ensembles gemacht bin. Ich fühle mich da mehr gefordert und individuell gesehen, als in großen Chören. Daher singe ich bereits seit 2017 in der 16-köpfigen Capella Vocale bei Michael Veltman in Köln (vormals in Troisdorf ansässig) und seit 2020 im Vokalquartett St. Andreas bei Christoph Kuhlmann. Ein großer Meilenstein in meiner sängerischen Entwicklung war die Fortbildung zur natural voice-Lehrerin. Als ich die Methode bei Renate Schulze-Schindler kennengelernt habe, war ich direkt entflammt - es gibt für mich keine anderen Ausdruck dafür. Das war mein Weg zu meiner Stimme. Ich habe mich über diese Methode noch einmal ganz anders kennengelernt - stimmlich, aber auch persönlich. Denn diese Atemarbeit strahlt auch in mein ganzes Leben aus. Ich bin mehr ich selbst und habe einen reich ausgestatteten Werkzeugkasten an die Hand bekommen, mit dessen Hilfe ich immer auf MEINEN Weg finde. |
Sirun HogrefeIch singe seit Teenager-Zeiten in kleinen Chören, Ensembles und auch mal solo. Ich liebe Stimmen und ich liebe natural voice - es ist mein Weg zur Stimme! Archiv
Oktober 2024
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