Ich habe seit ich 16 Jahre alt bin Gesangsunterricht bei verschiedenen Sängerinnen gehabt, die verschiedene Techniken und Schwerpunkte vermittelt hatten. Das waren alles wertvolle Erfahrungen und es hat mich auch immer ein Stück weitergebracht. Doch gibt es in der Geschichte für mich ein großes "Aber": Es gab immer einen Punkt, an dem ich nicht wirklich mehr weiterkam. Alle Lehrerinnen haben viel mit Begriffen, wie "hoher Gaumen", "tiefer Kehlkopf", "Gähngefühl im Hals" und "Stütze aus dem Bauch" gearbeitet. Und das ist ja auch alles nicht falsch. Aber ich habe gar nicht körperlich verstanden, was da vor sich gehen soll. Das heißt, dass ich durch Willenskraft und Muskelspannung versucht, diese Zustände zu erzielen. Beispielsweise war mein Bauch immer hart angespannt, weil ich dachte, dass das die Stütze ist.
Irgendwann war ich dann so verkopft und angespannt, dass meine Stimme immer fest und schnell müde war.
Eigentlich war meine Stimme vom Körper abgekoppelt, weil ich einfach keine Ahnung hatte, wie sich so eine körperlich Verbindung anfühlen und dann ja auch anhören sollte.
Und dann habe ich einen Workshop zu natural voice unter der Leitung von Renate Schulze-Schindler besucht - und war Feuer und Flamme. Endlich habe ich meine Stimme in ihrer vollen Kraft hören und spüren dürfen. Scherzhaft habe ich gesagt: "Jetzt könnte ich Wagner singen!" Ernsthaft: Ich habe keine Wagner-Stimme. Aber ich hatte auf einmal das Gefühl, dass jetzt mit meiner Stimme alles möglich ist. Das war ein Durchbruch, Meilenstein, Game-Charger - wie immer man das nennen möchte.
Da war es der logische Schritt, dass ich die Fortbildung zum natural voice-Teacher gemacht habe. Zwei intensive Jahre habe ich mich fortgebildet, immer mit der Lust im Herzen, diese Arbeit an andere weiterzugeben.
natural voice - was ist das?
natural voice nach Renate Schulze-Schindler geht davon aus, dass es zwei unterschiedliche Atemtypen gibt:
- diejenigen, die durch die Aktivierung des Einatmens in ihre Atem- und Stimmkraft kommen, - diejenigen, die durch die Betonung des Ausatmens in ihre Kraft kommen.
Beide Typen kann natural voice in ihren natürlich Atem- und Stimmfluss bringen, so dass die Stimme sich an den Körper anschließen und frei tönen kann.
Es ist eine Erfahrungsarbeit mit dem Körper und der Stimme. Es geht darum, sich auf seine innere Dynamik einzulassen und sich typgerecht auszurichten.
Widerspricht natural voice anderen Gesangstechniken?
Da es bei natural voice weniger um Technik, sondern viel mehr um eine typgerechte Ausrichtung des Körpers und die Anregung der eigenen inneren Dynamik geht, ist die Methode in meinen Augen eine wertvolle Ergänzung zu anderen Techniken.
Ja, es gibt auch Bestandteile im klassischen Gesangsunterricht, die nicht optimal zu jedem Typen passen. Ich denke da beispielsweise an "inhalare la voce". Das würde ich bei den sogenannten "Ausatmern" nicht empfehlen.
Grundsätzlich aber empfinde ich natural voice nicht als Ausschlussverfahren.
Für mich ist natural voice die Grundlage meines Singens, auf der ich mit anderen Techniken weiter spielen und mich ausprobeiren kann.
Für wen ist diese Methode?
Für Sängerinnen und Sänger (Profis und Laien, im Chor oder solistisch), Redner, Dozenten, Sprecher. Kurz: für alle, die ihre Stimme einsetzen und mit ihr überzeugen möchten.
Wie läuft der Unterricht ab?
Wir knüpfen an praktische Situationen an. An Gesangsstücken, Texten, die du mitbringst und vorträgst. Anhand dessen schauen wir, wie dein Atem sich verhält, wie dein Körper ausgerichtet ist, ob sich die Stimme leicht und frei anfühlt oder begrenzt und schwer. Wir probieren aus, wie sich Körper und Stimme verhalten, wenn man etwas ändert. Beispielsweise sich anders hinstellt oder setzt. Bestimmt Körperteile bewegt oder eben nicht bewegt. Was passiert, wenn man sich etwas mehr nach hinten, zum Rücken, orientiert oder im Gegenteil, nach vorne unten?
Es geht ums praktische Erleben, wie Atem, Stimme und Körper reagieren, wenn man sich anders ausrichtet und bestimmte Muskelpartien oder Körperteile aktiviert oder entspannt lässt.
Manchmal geht das schnell, manchmal Schritt für Schritt.
Und warum mache ich das ganze?
Die Stimme ist mein Herzensprojekt, sie ist für mich DAS Instrument. Für mich gibt es kein schöneres! Sie ist immer individuell, persönlich, anders. Es gibt keine Stimme, die genauso klingt, wie eine andere.
Und: die Stimme ist so eng mit mir als Mensch verbunden.
Das macht die Arbeit mit ihr so faszinierend, aber auch so empfindlich. Man sollte da behutsam handeln.
natural voice ist für mich die Methode, mit der das gelingt. Die Stimme einerseits in ihrer Kraft zu fordern und andererseits sensibel mit ihr und dem Menschen, dem sie gehört, umzugehen.
natural voice hat mir die Grundlage für mein Singen neu definiert, aber auch mein Leben beeinflusst. Das Andocken an den Atem weckt nicht nur die Stimme, sondern wirkt auch auf mich und meine Persönlichkeit.